1.1. Das Selbstbild des Parkinson-Patienten ist grundlegend gestört. Aus diesem Grunde greifen bei ihm auch keine psychologischen und spirituellen Ratgeber. Auch das Philosophieren hilft nicht weiter. "Cogito ergo sum" - weit gefehlt.
1.2. Es geht - kurz gesagt - darum, die eingetretene Störung des Willens, des auf das Selbst bezogenen gestalten Wollens, rückgängig zu machen. An die Stelle des verantwortlichen und seine Verantwortung akzeptierenden Ich ist ein nur als "ich" bezeichneter Persönlichkeitsanteil getreten. "Ich" ist gar nicht wirklich "ich". Jenes "Ich" ist nur der eingebildete Mittelpunkt einer Teil-Persönlichkeit (Terminologie von Roberto Assagioli),.
1.3. Die Teil-Persönlichkeit, um die es beim Parkinson-Patienten geht, ist die Teil-Persönlichkeit, die sich nicht vom Trauma lösen kann, das sie in der Kindheit erlitten hat. Nennen wir diese Teil-Persönlichkeit das "geschundene Kind". Beim "psychogenen Parkinson" steht ein Insult psychischer Art im Mittelpunkt, bei anderen Patienten ist es ein physisches Schmerz-Trauma, das sie nicht los lässt (vgl. Dr. Janice Walton-Hadlock).
1.4. Das "geschundene Kind" ist immer dann gemeint, wenn der Parkinson-Patient sich selbst meint und sich als "ich" bezeichnet.
1.5. In Wahrheit existieren - wie in fast jedem Menschen - auch im Parkinson-Patienten eine Mehrzahl von Teil-Persönlichkeiten, die - jede im Augenblick ihrer Selbstwahrnehmung - sich ebenfalls als "ich" bezeichnen könnten: Ich, der Familienvater; ich, die ehemals strenge, nun pensionierte Lehrerin, ich, der Fußball-Fan, usw.
1.6. Körperhaltung, Mimik und unsicheres Gangbild demonstrieren: Hier kommt ein "geschundenes Kind", das sein Leid in den vergangenen Jahrzehnten nicht hat überwinden können. Seine Last wird immer schwerer. - Ohne eine Isolierung dieser Teil-Persönlichkeit mit nachträglicher Distanzierung von ihr gibt es aber keinen Fortschritt des Parkinson-Patienten in seinem Kampf gegen die Symptome seiner Krankheit.
1.7. Warum nützt es nichts, wenn der Patient "ein für allemal" erkennt, dass er ein eigentlich nebensächliches Zentrum einer seiner Teil-Persönlichkeiten als "ich" bezeichnet, als "ich" denkt und empfindet? Die Antwort ist recht einfach: Jede Nacht träumt der Patient wieder und wieder seine Schmerz-/-Angst-Verletzung, und zwar in allerlei Varianten, wodurch das Erlebnis stets frisch und lebendig bleibt.
1.8. Die Realität des Patienten kommt in dem Spruch zum Ausdruck: "Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst." D.h. wenn du "ich" denkst, dann meinst du nur, von dir selbst zu reden und zu denken. In Wahrheit redest du von längst vergangenen Zeiten und deinem damals "geschundenen" Ich. das dich bis heute verfolgt.
1.9. Der Parkinson-Patient hat es in seinen Lebensjahrzehnten versäumt (d.h. er hat seine Lebenszeit ungenutzt verstreichen lassen), das damals niedergeworfene Ich des "geschundenen" Kindes wieder aufzurichten: Um aus dieser Falle zu entkommen, heißt es Selbstverantwortung übernehmen und die Unterwerfung unter den Peiniger und unter seine späteren "Stellvertreter" beenden.
1.10. Wie aber findet der Parkinson-Patient sein scheinbar verloren gegangenes "Ich", dieses Zentrum seines Willens und seiner
Selbstverantwortung? - Nun sagen Ratgeber aller Art: "Ergründe dich selbst. Nichts einfacher als das!"- Wirklich nicht?
1.11. Leider hat sich aber die Psyche des Patienten derart an die fehlgeleitete Selbstwahrnehmung als "ich" gewöhnt und ahnt nicht einmal, wovon wir reden, wenn wir das wahrhaftige "Ich" bzw. "Selbst" als geistigen "Beobachtungsposten" oder als "reines Gewahrsein" bezeichnen. Schon eine womögliche Bezeichnung des "Ich" als "Selbstbewusstsein" führt total in die Irre - denn jeder denkt an übertriebenes Ego (das Ich als Superheld), wenn wir sagen, er müsse sein Selbstbewusstsein stärken. In der Tat: Das Gegenteil wäre eher zutreffend.
1.12. Was also ist zu tun? Der Seemann würde sagen: Maschinen stopp - volle Kraft zurück!! - Es gibt langjährige Parkinson-Patienten, die nur noch sehr wenige, aber recht beharrliche Symptome aufweisen. Gemeinsam ist ihnen, dass ohne Medikamente morgens die Widerstände der Bewegungsfähigkeit besonders heftig sind, die überwunden werden müssen. Dies hat seine Ursache im allnächtlichen Träumen, d. h. in dem Teil unseres Lebens, in dem das Unbewusste sich austoben darf. Von der segensreichen Entspannung im Tiefschlaf kann beim Träumen nicht die Rede sein. Tiefschlaf ist Nicht-Denken, Träumen ist ungehindertes Fühlen. Der alte Schmerz kommt nicht zur Ruh, wird durch Selbstzerknirschung immer wieder entflammt.
1.13. Eine in den großen Welt-Religionen bekannte Meditationsform ist dazu geeignet, einen Einstieg in den notwendigen Prozess der dann eher philosophisch-anthropologischen bzw anthroposophischen (geisteswissenschaftlichen) Selbstergründung einzuleiten. Es ist die Achtsamkeitsmeditation, die darauf abzielt, eine Betracher-Position, eben die des achtsamen Beobachters seiner Innenwelt, einzunehmen und damit sich von dem zu entfernen, was der Parkinson-Patient voreilig denkt, wenn er "ich" meint und sagt.
1.14. Und nun beginnt die Des-Identifizierung des Patienten von all dem, was er für sein "Ich" hält: Er des-identifiziert sich zunächst von seinem Körper, dann von seinen Gefühlen und Gedanken und zuletzt von seinen Teil-Persönlichkeiten, die sich so gern in den Vordergrund schieben, sobald er sich die Frage stellt:
Wer fragt jetzt? - Ich frage.
Wer bin ich?
Ich bin nicht identisch mit meinem Körper, noch mit meinen Gefühlen und Gedanken und schon gar nicht mit dieser Teil-Persönlichkeit des "geschundenen Kindes".
Wenn ich all dies nicht bin: Wer also bin ich?
Antwort:
Ich selbst bin reines Gewahrsein (d. h. ein geistiger, also körperloser Status)
Ich bin gleichzeitig Zentrum des Willens und der Verantwortung.
(Dr. Roberto Assagioli gibt mit seiner Methode der Psychosynthese Anleitungen zum Beginn der Übung der Des-Identifizierung. Im Verlauf regelmäßigen Praktizierens werden die gestellten Fragen und gegebenen Antworten unwillkürlich substantieller bzw. profunder. Auch der indische (tamilische) Philosoph Ramana Maharshi weist in klaren Worten dir diesen Weg - mit Click auf nebenstehendes Abbild Ramanas als 19jähriger Eremit.
In der Advaita-Philosophie gibt es von Ramana Maharshi darüber hinaus ein lehrreiches Schaubild, das die Bewusstseinszustände des Menschen seinen biologischen und energetischen Funktionen "Tiefschlaf, Traum, Wachzustand" zuordnet, vgl. nebenstehendes Schaubild. Fortgeschrittenen Adepten wird das intensive Studium dieses Schaubildes angeraten. Die dort verwendeten Begriffe sind übrigens auch in Rudolf Steiners Geisteswissenschaft wiederzufinden.)
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Deutsche Übersetzung zu Ramana's obiger Grafik:
Beispiel
|
Bedeutung
|
1.
Licht
|
Selbst
|
2.
Tür
|
Schlaf
|
3.
Türschwelle
|
Mahat-Tattva
|
4.
Innenwand
|
Nichtwissen
oder kausaler Körper
|
5.
Spiegel
|
Ego
|
6.
Fenster
|
Die
fünf Wahrnehmungsorgane
|
7.
Innere Kammer
|
Tiefschlaf
- der kausale Körper erscheint
|
8.
Mittlere Kammer
|
Traum
- der feinstoffliche Körper erscheint
|
9.
Hof
|
Wachzustand
- der physische Körper erscheint
|
Das
Selbst, das dem Licht (1) entspricht, leuchtet von sich aus in der inneren
Kammer, die gleichbedeutend mit dem kausalen Körper (7) ist, dessen Innenwand
(4) Nichtwissen und dessen Tür (2) der Schlaf ist. Wenn durch die
Gesetzmäßigkeiten des Lebens, bedingt durch Zeit, Karma, usw. die Tür des
Schlafs geöffnet wird, erscheint eine Spiegelung des Selbst im Ego-Spiegel (5),
der sich nahe der Türschwelle - Mahat-Tattva - befindet; der Ego-Spiegel sorgt
für Helligkeit in der mittleren Kammer, dem Traum-Zustand (8), und sorgt durch
die Fenster, also die fünf wahrnehmenden Sinnesorgane (6), für Licht auch im
äußeren Hof, dem Wachzustand. Wenn sich dann nach den Gesetzmäßigkeiten des
Lebens, bedingt durch Zeit, Karma, usw., die Tür des Schlafs wieder schließt, gibt
es mit der Beendigung des Wach- und des Traumzustands auch kein Ego mehr, und
es leuchtet nichts als das Selbst. Das Beispiel macht deutlich, dass das Selbst
unbewegt ist, das Selbst und das Ego sich voneinander unterscheiden und auf
welche Weise die drei Erfahrungszustände, die drei Körper, usw. in Erscheinung
treten.
1.15. Nach 8 - 10 Monaten eifrigen Übens der Des-Identifizierung tritt schon eine auffällige Änderung der Selbstwahrnehmung ein. Der Patient beginnt, die Teil-Persönlichkeit des "geschundenen Kindes" schon an Hand bekannter Vor-Symptome voraus zu ahnen, bevor diese ihren ungerechtfertigten Ich-Anspruch geltend machen kann. Sein des-identifiziertes körperloses "Gewahrsein" erwacht und macht sich über das penetrante Verhalten der eigensüchtigen Teil-Persönlichkeit lustig. Humor desillusioniert.
1.16. Das Gewahrsein als Zentrum seines Willens zur Überwindung seines Leids paart sich mit dem Eingeständnis seiner alleinigen Verantwortung auf dem Weg zur Überwindung seines Leids. - Und exakt an dieser Stelle des Prozesses der Selbstergründung ist der psychische Nährboden bereitet für das Erwachen des eigentlichen Willens, ausgehend vom geistig definierten zentralen Ich. Dieses frisch als solches erkannte eigentliche Ich kann nun und muss auch entscheiden, ob es seinen Weg der ausschließlichen Selbstverantwortung konsequent weiter gehen will. Lässt es weiterhin das "geschundene Kind" quasi als Pseudo-Ich agieren, dann kann das zentrale Ich, das Selbst des Parkinson-Patienten den mühsamen Kampf zur Überwindung der Symptome seiner Erkrankung gleich abblasen und sich mit einer zunehmenden Verschlechterung seines Gesundheitsstatus' abfinden.
1.17. Das klingt nun eigentlich recht klar und einfach, und man fragt sich, weshalb nicht mehr halbwegs engagierte Betroffene schon darauf gekommen sind. Die Antwort auf diese Frage ist leider ebenso einfach: Außer der typischen Teil-Persönlichkeit des "geschundenen Kindes" bzw. des "ewigen Loosers" wird die Psyche des Parkinson-Patienten noch von weiteren, ebenfalls symptomatischen Teil-Persönlichkeiten beherrscht, ja man möchte eher sagen stranguliert: Es sind dies eben jene Teil-Persönlichkeiten die bereits im voran gehenden Posting "Rien ne vas plus" des Bloggers beschrieben wurden. - Es sind dies der "Euphoriker" und zweitens "Rilkes eingekerkerter Panther". Ersterer steht für den Patienten unter Einfluss von Psychopharmaka (L-Dopa, MAO-Hemmer etc.), der Zweite steht für den Patienten im abgeklärten Zustand der vermeintlichen Kampfunfähigkeit. Letzterer fühlt sich etwa wie ein getroffener Boxer, dessen allzu besorgter Trainer zu früh das Handtuch in den Ring geworfen hat, so dass der kampfwillige Boxer gehindert wird, seinem Gegner als Revanche für dessen Treffer nun die entscheidende "Hand" zu verpassen. - "Rilkes Panther" - so könnte man es auch sagen - schämt sich hinter Gittern seiner eigenen Trottelligkeit, in die von hinterhältigen Menschen für ihn aufgestellte Falle getappt bzw. gestolpert zu sein.
1.18. Das Vorhandensein von nun schon drei symptomatischen Teil-Persönlichkeiten des Patienten erschwert natürlich dessen Arbeit bei der Des-Identifizierung. Er muss in sich selbst erst einmal diese Teil-Persönlichkeiten erkennen, d. h. unterscheiden und isolieren, bevor er sich daran machen kann, sich von ihnen zu des-identifizieren. - Um in dem Bild zu bleiben, das in "Rien ne vas plus" (vorangehendes Posting) gezeichnet wird: Die drei "Spieler" wollen partout nicht miteinander kooperieren; ein mögliches Skat-Spiel kommt nicht zustande. Der Karren steckt tief im Dreck!
1.19. "Psychosynthese" ist der Begriff, den der Psychiater und Psychotherapeut Dr. Roberto Assagioli geprägt hat für den Prozess der Integration und Harmonisierung ehemals unkooperativer (exzentrischer) Teil-Persönlichkeiten.
Schon in seiner Dissertation im Jahre 1910 hatte er sein eigenes Modell der Psyche skizziert. Heute, mehr als 100 Jahre danach, gibt es Psychosynthese-Zentren in vielen Ländern und natürlich auch in Deutschland.
1.20. Assagioli verwendet für seine Darstellung des Psychosynthese-Prozesses ebenfalls eine Allegorie aus dem Bereich des Spiels, namentlich des Rollenspiels: Er kennzeichnet die Teil-Persönlichkeiten eines Menschen symbolisch als Schauspieler im Rahmen eines Dramas. Das zentrale Ich oder Selbst (mit selbst bestimmten Willen und eigener Verantwortung) wird dabei durch die Figur des Regisseurs repräsentiert. Und das Manuskript des Dramas bzw. das Drehbuch des Spielfilms stammt vom Autoren, von der Schöpfung, von Gott.
1.21. Die Schauspieler haben ihre Rolle zu lernen und zu spielen; sie müssen sich dabei jedoch an die Anweisungen des Regisseurs, des zentralen Ichs, halten. Unter den Schauspielern sollten Streitereien unterbleiben. Das Ensemble soll eine Gesamtleistung erbringen. Exzentriker stören.
1.22. Der Regisseur muss die Eigenheiten der Schauspieler kennen und respektieren, um eine gute Gesamtleistung aus ihnen heraus zu holen. Er muss durchgehend auf Werktreue achten, damit der Wille des Autors nicht von seinem eigenen oder den Willen seiner Schauspieler in den Hintergrund gedrängt wird.
(Vgl. Roberto Assagioli: "Life as a Game and Stage Performance (Role Playing)"
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